Raus aus der Gereiztheit – rein in den echten Austausch!

Austausch

Wie öffnest und hältst Du Räume für wertschätzende und ehrliche Kommunikation?

Manchmal ist es kaum noch auszuhalten.“ schreibt Anja Dilk in ihrem Artikel Das gereizte WIR im Magazin Good Impact. Ich fühle es beim Lesen: unsere zunehmend gereizte Gesellschaft, die unter chronischem Stress, Überforderung und permanenter Anspannung leidet. Verstärkt wird dieser Zustand noch durch politische Polarisierung, mediale Dauererregung und globale Krisen wie Kriege, wirtschaftliche Unsicherheit und die Klimakrise.

Wer fühlt sich hier noch mächtig, Einfluss zu nehmen? Kein Wunder, dass psychische Belastungen wie Angst, Nervosität und Schlafstörungen in den letzten Jahren massiv zugenommen haben.

Social-Media-Plattformen tragen mit ihren Algorithmen eher noch zur Gereiztheit bei als konstruktive Gespräche über Lösungen zu erleichtern. Gefühlt lassen sich immer mehr vom Hating anstecken, auf der andere Seite ziehen sich immer mehr zurück, schotten sich ab. Laut Anja Dilk stellt der führende Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen aber auch einen dritten ermutigenden Trend fest: „Die Massivität der Gereiztheit erzeugt auch ein Bedürfnis nach dem Gegenteil: behutsamen Austausch und ehrliches Zuhören.

Hier fühle ich mich sofort angesprochen und überlege, wie Du und ich in unserem Arbeitsalltag ganz praktisch dieses Bedürfnis und die dazu nötigen Fähigkeiten (noch mehr) fördern könnten. Würden wir damit doch beitragen zu weniger Gereiztheit und stattdessen zu mehr Verbundenheit, Mut und Wertschätzung in unserem Umfeld!

Konstruktives Zusammensetzen ist auch im unternehmerischen Kontext essenziell für Wandel, Wachstum und Synergie. Gerade als Führende*r hast Du enormen Einfluss darauf, welche Art von Kommunikations-Räumen in Deinen Teams gepflegt werden. Du kannst täglich Räume öffnen und halten, die offene, wertschätzende und tiefgehende Dialoge ermöglichen. Oder auch nicht. In jedem Fall schaffst Du eine Kultur, die Teammitglieder bestenfalls auch in anderen Kontexten als dem beruflichen pflegen.

Ich möchte hier gerne ein paar einfache, leicht umsetzbare Hacks mit Dir teilen, mit deren Hilfe Du in ganz unterschiedlichen Formaten in Deinen Teams Verbundenheit, Mut und Wertschätzung stärken kannst.

Fang bei Dir an!

Bevor du einen Kommunikations-Raum öffnest, nimm bewusst Haltung ein. Ich versetze mich sehr gern in die Rolle des Gastgebers, damit lade ich für mich sofort auch folgende Prinzipien:

  • Offenheit: Sei neugierig, verschiedene Perspektiven anzuhören und Deine eigenen Standpunkte zu hinterfragen. Du kannst Dinge sagen wie: „Erzähl mir mehr darüber, ich möchte gerne verstehen, wie das für Dich ist.“
  • Empathie: Versetze Dich in die Lage der Beteiligten und erkenne ihre Emotionen und Werte an. Mit dem Herzen verstehen heißt nicht zustimmen. Und es heißt auch nicht, sofort mit einer Lösung oder einem „Pflaster“ daher zu kommen. Es heißt aber sehr wohl, den anderen zu erkennen und ihm seine Emotionen und Werte zu lassen. Das entspannt unglaublich!
  • Mut zur Unsicherheit: Nicht jede Diskussion führt sofort zu einer Lösung. Lasse Prozesse auch mal offen, ohne sofort eine Entscheidung treffen zu „müssen“. Manch gemeinschaftliche Lösung will reifen und benötigt dafür Ruhe, einen Moment des Innehaltens, vielleicht auch eine Pause, ein Auseinandergehen und Wiederzusammenkommen.
  • Allparteilichkeit: Erkenne den erhaltenswerten Kern hinter spitzen Formulierungen in Deinen Meetings und paraphrasiere, sodass sich beide Seiten gesehen fühlen: „Du hörst mir nie zu!“ → „Ihr hattet anscheinend schon häufiger Gespräche, in denen die geplante Botschaft nicht gelandet ist?“ Dies hilft, in Gesprächen zu deeskalieren, vielleicht sogar eine Brise Humor hineinzubringen und Brücken zu bauen.
  • das ist ein Testspiegelpunkt von Marion. Passt.  🙂

Wenn Du als Führende*r diese Prinzipien vorlebst, inspirierst Du damit auch Dein Umfeld. Deine Haltung in der Kommunikation wird sich auch in Deiner Sprache widerspiegeln und auf diese Weise für andere spürbar werden.

Hack #1: Plane regelmäßige Check Ins

Es gibt keinen wichtigeren Moment als den Beginn eines Gesprächs, eines Workshops, einer Veranstaltung, um die Größe und Art des sich anschließenden Kommunikationsraumes zu beeinflussen. Achte mal darauf, wenn Du in Deine nächsten Meetings gehst: Wie ist die Stimmung? Und wie entwickelt sie sich in den ersten 10 min? Entwickelt sie sich überhaupt?

„Bevor Du nicht einen Ton gesagt hast, bist Du überhaupt nicht hier gelandet.“ hat mal eine weise Frau in einer meiner vielen Weiterbildungen gesagt. Und sie hat recht. Deshalb gibt es bei mir kein Meeting ohne Check In. Diese erste Runde sorgt dafür, dass jeder sich einmal zeigen darf und dass jedem einmal zugehört wird. Und je nachdem, welche Fragen Du stellst, kannst Du steuern, auf welcher Ebene Ihr anschließend miteinander weitersprecht.

Mit folgenden Fragen kannst Du nicht nur einmalig, sondern auch routinemäßig einen Raum öffnen, der Emotionen leichtfüßig ansprechbar macht und für Klarheit und Stabilität sorgt.

  • Wo bist Du heute auf dem Blob Tree? Die Blobs laden ein, emotional differenziert zu antworten. So erfahren wir mehr voneinander und stärken die psychologische Sicherheit in der Runde.
  • Wofür bist Du heute dankbar? Diese Frage zählt zu den Resilienz-Routinen der US Army. Hintergrund der Übung: Das Gehirn kann nicht gleichzeitig dankbar sein und eine Opfer-Rolle annehmen. Dankbarkeit führt nachweislich erfolgreich aus dem Opfer-Modus heraus. Ist das als Grundstimmung nicht erstrebenswert?
  • Was steht an? Deine größte Herausforderung diese Woche und wie wir Dich dabei unterstützen können. → Mit dieser Frage erzeugst Du nicht nur Synergie und Verbundenheit, sondern vor allem Verständnis auch für mögliche zukünftige Stress-Reaktionen.
  • Nützliche News fürs Team: Welche Info, die fürs Team interessant sein könnte, möchtest Du kurz teilen? → Es geht um Wissen statt Gerüchte!
    Und wenn es doch Gerüchte sind? Aus dieser Frage haben sich schon tolle Gespräche darüber entwickelt, wozu wir neigen, wenn wir NICHT wissen: wir füllen die Lücken mit unseren Vorstellungen… leider nicht immer den zuversichtlichsten. Es gibt 2 Wege, da rauszukommen: Sei immer so transparent wie möglich. Dafür braucht es manchmal Mut, klar. Oder Ihr tauscht Euch ganz bewusst über Eure SFDs (shitty first drafts, schlechte erste Entwürfe Eures Gehirns nach Anne Lamott) aus: „Was beobachte ich? Wie erkläre ich mir das? Was löst es bei mir aus? Was mache ich daraus?“ Eine großartige Übung, um negative Emotionen loszuwerden und sich bewusst und versöhnlich zu korrigieren.

Lass für diese Form des Check Ins anfangs 5 min Stille zur Vorbereitung und gebt Euch jeweils 3 min für die Antwort. Wenn Du gerne Abwechslung haben willst, liefert Dir der CheckIn-Generator jede Menge Alternativ-Fragen! Den Blob-Tree kannst Du Dir in verschiedensten Varianten unter www.blobtree.com herunterladen. Dort zeigt sich: es ist auch ein wunderbares Medium, um Kinder und Jugendliche zu öffnen

Hack #2: Kleine Räume machen Mut

Menschen öffnen sich lieber in einem vertrauten Kreis. Wer kennt das nicht? In großen Meetings oder Mitarbeiterversammlungen verhallt die Frage „Wer hat dazu Anmerkungen oder Fragen?“ oft in betretenem Schweigen. Es braucht Mut, sich vor vielen Menschen zu äußern, gerade wenn ein Thema sensibel oder kontrovers ist.

Eine einfache Methode, um diesen Mut zu fördern, ist der Austausch in kleinen Gruppen. Gib den Teilnehmenden die Gelegenheit, sich zunächst in Dreier- oder Vierergruppen, sogenannten „Murmelgruppen“, zu besprechen. Jede Gruppe wählt dann eine Person, welche nicht nur für sich selbst sondern für die Kleingruppe spricht und anschließend die gemeinsamen Gedanken und Fragen im Plenum vorstellt.

Dieser Zwischen-Schritt reduziert die Hemmschwelle enorm. Die Verantwortung für eine Wortmeldung verteilt sich, es entsteht eine Form von sozialer Sicherheit. Gleichzeitig führt dieses Vorgehen zu gehaltvolleren Beiträgen, da sie zuvor bereits reflektiert und geschärft wurden.

Und Dir gibt es die Gelegenheit, Emotionen anzuerkennen und Fragen zu beantworten, bevor sie mit SFDs (Du erinnerst Dich?) beantwortet werden und diese sich im Untergrund verbreiten und für ungute Stimmung und Gereiztheit sorgen.

Hack #3: Elefanten brauchen auch Räume

Jeder kennt das Sprichwort vom „Elefanten im Raum“. Gemeint sind die unausgesprochenen Themen, die in einem Team oder einer Meeting-Runde zwar jeder spürt, aber niemand benennt. Diese „Elefanten“ brauchen einen eigenen, geschützten Raum, um auf den Tisch zu kommen, bevor sie sich in toxische Spannungen verwandeln.

Eine sehr wirksame Methode ist der Elefanten-Dialog von Team Elephant. Ich nutze ihn gern in meinen eigenen Teamentwicklungen. Er bietet einen strukturierten Rahmen, um sensible Themen angstfrei und respektvoll zu besprechen. Dabei durchlaufen die Gesprächspartner vier Phasen:

  1. Welcher Elefant soll bewegt werden? Im Team wird gemeinsam gewählt, wer sich zu welchem schwierigen Thema einmal zusammensetzen sollte.
  2. Wer schaut wie auf den Elefanten? Das Herzstück: der Elefanten-Dialog. Das Geheimnis: runter vom Gas. A und B bereiten ihre Aussagen vor mit Hilfe unseres Feed Forwards. A spricht, B hört nur zu. Dann wiederholt B, was er/sie von A verstanden hat, bis A sich 100% verstanden fühlt. Und dann das gleiche umgekehrt mit vertauschten Rollen. Ich nutze sehr gerne die Triade, um den beiden Konflikt-Parteien einen unterstützenden Rahmen zu geben. Dabei genügt es manchmal, wenn C einfach nur im Raum sitzt, das beeinflusst A und B bereits in der Art, wie sie formulieren und zuhören. C kann aber auch aktiv auf das Einhalten der Struktur achten und gegebenenfalls liebevoll intervenieren.
  3. Welche realistischen Lösungen gibt es? Hier werden Lösungs-Ideen gesammelt, die auf beide Wertesysteme einzahlen. Wenn A und B es wünschen, darf C gerne mitmachen beim Sammeln. Meine Empfehlung: Sammelt mindestens 10 Ideen! Es ist wie beim Brainstorming… die besten Ideen sind eher nicht die ersten! 😉
  4. Wie machen wir weiter? Welche Vereinbarungen treffen wir? Wie gehen wir damit um, wenn sie nicht halten, was sie versprechen?


Diese Struktur sorgt dafür, dass die in Konflikten übliche Hochgeschwindigkeit (unterbrechen statt richtig zuhören) runtergefahren wird auf ein Niveau, das echtes Zuhören erlaubt, ohne Angst haben zu müssen, dass man selbst nicht zu Wort kommt. Die Wertschätzung, die durch gegenseitiges Paraphrasieren entsteht, macht diese ungewohnte Verlangsamung sehr schnell sehr erträglich. Und die Entspannung, die dann eintritt, sorgt dafür, dass die Gehirne der Beteiligten anschließend wieder zu überraschender Kreativität fähig sind!

Diese Methode fördert Mut, Offenheit und einen wertschätzenden Austausch und hilft Teams, Konflikte nicht als Bedrohung, sondern als Wachstumschance zu sehen.

Dein Beitrag zu mehr Mut, Verbundenheit und Wertschätzung

In dieser Zeit zunehmender Gereiztheit brauchen wir bewusste Kommunikations-Räume, in denen uns behutsamer Austausch und ehrliches Zuhören gelingt. Durch Deine liebevolle Haltung, regelmäßige Check Ins, mutmachende Kleingruppen und das strukturierte Arbeiten mit Elefanten kannst Du das Klima in Deinen Teams nachhaltig verbessern. Nutze Deine besondere Position als Führende*r und öffne/ halte Deine Kommunikationsräume bewusst und verantwortungsvoll! Jede weitere Gelegenheit zählt!

Welche Kommunikations-Räume willst Du in Deinem Umfeld öffnen? Du bist Dir an der einen oder anderen Stelle noch unsicher? Dann melde Dich gern zu einem Sparring direkt bei mir!

Jetzt wünsche ich Dir erst einmal viele Gelegenheiten, mutmachende und wertschätzende Räume zu öffnen und grüße Dich ganz herzlich aus dem emotional intelligenten Hauptquartier in München,

Deine Sabine

2 thoughts on “Raus aus der Gereiztheit – rein in den echten Austausch!

  • Liebe Sabine, wie immer bin ich so dankbar für Deinen wertvollen, motivierenden Input – Deine Blogbeiträge schon am Morgen zu lesen, bereichert meinen (Arbeits-)Tag!

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